12.12.2023
Jean-Marie Le Cocq, Programmleiter, und Nicholas Harmansa, Leiter Systemtechnik im Bereich Orbital Propulsion, erklären den innovativen Ansatz, der insbesondere für Antriebssysteme von Satelliten in niedriger und mittlerer Höhe genutzt werden könnte. Diese Systeme sind in der Regel mit chemischen Antrieben ausgestattet und nutzen gefährliche Produkte wie Hydrazin. Das Wasserantriebssystem, das von den ArianeGroup Teams in Lampoldshausen entwickelt wurde, setzt auf Hybridtechnik. Damit bietet es auch zahlreiche Vorteile gegenüber elektrischen Antriebssystemen, die vor allem in Satellitenkonstellationen zum Einsatz kommen.
Das System beruht auf dem Prinzip der Elektrolyse. Ein großer, unter Druck gesetzter Tank liefert entmineralisiertes Wasser an einen Elektrolyseur, der mit Strom aus den Solarzellen des Satelliten versorgt wird. Der Elektrolyseur spaltet Wasser in Wasserstoff und gasförmigen Sauerstoff, die getrennt in Drucktanks gespeichert werden. Diese beiden Gase werden in der Brennkammer verbrannt und sorgen für den Schub des Satelliten. Wenn die Drucktanks gefüllt sind (nach etwa 90 Minuten), liefern die Tanks genügend Treibstoff für einen etwa 30-sekündigen Schub.
„Wir wollten ein System mit einem wirklich umweltfreundlichen Treibstoff entwickeln. Außerdem ist Wasser überall auf der Erde verfügbar und kann gefahrlos transportiert werden.” Jean-Marie Le Cocq „Ich bin mir sicher, dass Wasser ein Treibstoff der Zukunft ist." Nicholas Harmansa
Zahlreiche Vorteile
Das Wasserantriebssystem von ArianeGroup ist flexibel einsetzbar und könnte beispielsweise für Erdbeobachtungs- und Telekommunikationssatelliten sowie Konstellationen genutzt werden. Es ist so konzipiert, dass die Anzahl der Elektrolysezellen, die Größe der Tanks und die Zahl der Triebwerke beliebig erhöht werden können, um den Bedarf unterschiedlicher Satelliten abzudecken. Somit soll ein standardisiertes System entwickelt werden, das in der Größe anpassbar ist und eine bis zu dreimal kostengünstigere Alternative zu den derzeitigen chemischen Lösungen bietet.
„Mit Hydrazin erreicht man einen spezifischen Impuls von 200s, gegenüber 300s mit Wasser. Wasser liegt also höher. Die Leistung ist vergleichbar mit den größten chemischen Antriebssystemen für Satelliten." Jean-Marie Le Cocq
Abgesehen davon, dass dieses wasserbasierte Antriebssystem keinerlei Gefahren beim Einsatz birgt – weder im Vorfeld bei der Herstellung noch beim Start auf der Startrampe – ist seine Funktionsfähigkeit theoretisch nur von der Sonne und dem Füllstand der Tanks abhängig. Langfristig ist es sogar denkbar, im Weltraum, auf dem Mond oder sogar auf dem Mars eigenständig Wasser zu produzieren, um interplanetare Missionen sicher zur Erde zurückzubringen oder zu weiter entfernten Zielen fortzusetzen.
Termin im Herbst 2026
Mit Unterstützung der ESA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt plant ArianeGroup zusammen mit den belgischen Unternehmen RHEA und Aerospacelab bis Herbst 2026 eine Demonstration im Flug. Der Satellit des „European Spectrum Monitoring Service“ (ESMS) soll eine europäische Kartierung der Funkfrequenzen durchzuführen, er wird mit dem Wasserantrieb ausgestattet. Dann werden Tests im Vakuum durchgeführt, um den Nachweis über die einwandfreie Funktion des Elektrolyseurs zu erbringen, indem Tanks und Triebwerk mit den notwendigen Gasen versorgt werden. Die Brenndauer des Triebwerks und die Dauer der Befüllung der Gastanks werden ebenfalls untersucht, sowie die Möglichkeit, die Position des Satelliten zu ändern.