Künstliche Intelligenz gibt der Raumfahrtindustrie neuen Schub

Entstehung und Entwicklung der KI

Werfen wir einen Blick zurück auf den Beginn der 1990er-Jahre. Bestimmte Verfahren zur Entwicklung der Ariane-Raketen wiesen damals bereits erste Anzeichen künstlicher Intelligenz in Form von künstlichen neuronalen Netzen auf. Diese dem menschlichen Gehirn nachempfundenen mathematischen Modelle bestechen durch ihre enorme Leistungsfähigkeit bei der Bewältigung repetitiver, zeitintensiver oder komplexer Aufgaben.

2018 trat bei ArianeGroup erstmals eine komplett der KI gewidmete Fachrichtung auf den Plan. Diese wurde in vier Sparten gegliedert: Maschinelles Lernen (im Englischen „machine learning“), im Zuge dessen alle verfügbaren Daten im Hinblick auf die bestmögliche Verwertung des enormen Know-hows von ArianeGroup in Sachen Trägerraketen ausgewertet werden. Wissensmanagement, das seine Bekanntheit Sprachmodellen wie etwa ChatGPT verdankt, die Erfassung, Strukturierung und Austausch von Wissen begünstigen und auf die Verbesserung der Organisationsleistung abzielen. Multiagentensysteme mit Fokus auf die Interaktionen zwischen mehreren KI-Systemen. Und schließlich die Operationsforschung oder Operations Research, die zur Lösung klar umrissener Probleme neue, zuweilen kontraintuitive Strategien aufzeigt. Sie alle sind für eine Vielzahl von Anwendungen einsetzbar, die in ihrer Gesamtheit stets der optimalen Unterstützung der Konstrukteure in ihrem Arbeitsalltag dienen.

Technik-Support nach Maß
Um Spezialwerkzeuge unter Einhaltung der bei ArianeGroup gängigen höchsten Zuverlässigkeits- und Qualitätsstandards herstellen zu können, nutzen die Technikfachleute Open-Source-Algorithmen. Diese werden spezialisiert und verwendet, um für den jeweiligen Tätigkeitsbereich passende Lösungen zu generieren. Jede der Implementierungen wird von Fachleuten bestätigt. Somit wird gewährleistet, dass der Algorithmus nicht allein die für Tgrägerraketen geltenden Sicherheitsnormen einhält, sondern insofern zutreffend auch die Grundgesetze der Physik. Dank dieser Vorgabe hat man Zugriff auf einen echten Datenkontrollassistenten, der in der Lage ist, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen und alle nützlichen Informationen mit weit höherer Geschwindigkeit als das menschliche Gehirn zu extrahieren.

„Den Mehrwert bilden jedoch nach wie vor unsere Ingenieure. Unser Ziel besteht darin, die Effizienz ihrer Arbeit zu steigern und ihnen anhand der Reduzierung zeitintensiver Aufgaben vermehrt Freiräume für die Auseinandersetzung mit besonders nutzbringenden Themen zu verschaffen.“ Romain Bourrier

Angesichts von Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen, erhöhter Genauigkeit, kontinuierlichem Lernen und Automatisierung stellt der Einsatz von KI einen echten Fortschritt dar, der natürlich auch seine Grenzen hat. Die KI übernimmt eine Assistenzfunktion, hat jedoch keinerlei Entscheidungsbefugnis. Sie „begnügt“ sich sozusagen damit, enorme Datenbestände zu untersuchen und Abweichungen aufzuzeigen, während die Ingenieure mit ihrer unabdingbaren Kompetenz weiter die Entscheidungen treffen. Die KI fungiert demnach als Unterstützungstool bei den alltäglichen Aufgaben der Fachleute. Somit steht diesen mehr Zeit für substanziellere Tätigkeiten zur Verfügung und es entsteht kreativer Spielraum zugunsten neuer Projekte.

Anwendungsbeispiele
Die KI kann heute bereits in alle Phasen der Produktlebensdauer einfließen. Am Fließband etwa trägt sie zur Verbesserung der Strapazierfähigkeit einzelner Teile bei, indem sie geringfügigste Anomalien entdeckt. Anhand effizienter und schnellstmöglicher Eingriffe werden defekte Teile entfernt und wertvolle Zeit gespart. Auch beim Trägerraketendesign geht es um Zeitersparnis, wenn KI und Simulatoren miteinander verknüpft werden. Binnen kürzester Zeit können beispielsweise anhand der Berechnung von Strömungen oder der Ausbreitung von Schwingungen innerhalb der Trägerrakete Verhaltensmuster im Voraus berechnet werden. Ein weiterer durchaus wichtiger Aspekt betrifft die Verarbeitung, Analyse und Erstellung der technischen Dokumentation. Sie alle werden dank KI-Sprachmodellen erheblich beschleunigt und vereinfacht.

Die neue KI-Dynamik vollzieht sich parallel zu einem Wandel in der Unternehmenskultur. Dieser bedarf der Unterstützung in Form von Schulungen zum besseren Verständnis sowie zur Aneignung und Vervollkommnung der bestehenden Werkzeuge. Die Ingenieure von ArianeGroup müssen feststellen können, in welchen Fällen die KI nützlich ist und in welchen nicht. Es wird nämlich noch eingie Jahre dauern, bis künstliche Intelligenz an Bord einer Trägerrakete mitreist, Störungen lokalisiert und in Eigenregie Entscheidungen trifft, selbst wenn im Rahmen des EU-Projekts ENLIGHTEN (European iNitiative for Low cost, Innovative & Green High Thrust ENgine) bereits an dieser Vorstellung gearbeitet wird. ArianeGroup übernimmt im Auftrag der Europäischen Kommission die Leitung von ENLIGHTEN. Es geht darum, die Entwicklung von Schlüsseltechnologien wie der KI zum Zweck des Monitorings und der Wartung der wiederverwendbaren Raketentriebwerke der Zukunft voranzutreiben. Wir halten Sie auf dem Laufenden!